Rappzapp Entrelac

Als ich zum ersten Mal Stephen Wests farbenfrohe Brioche-Kreationen gesehen habe, habe ich mich gefreut. Natürlich auch wegen Stephen West und Brioche, aber vor allem, weil ich einen neonfarbenen Hoffnungsschimmer am Horizont sah, dass jetzt mal endlich jemand all die verstaubten Stricktechniken aus der Mottenkiste holt und sie in modernen Designs umsetzt. Brioche war da ganz sicher überfällig, aber daneben steht noch jede Menge auf meiner Wunschliste, etwa Intarsienmuster, Häkelmode und ganz oben: Entrelac!

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Doch nachdem Brioche sich bei Herrn West nicht nur zum selbsterklärten Muster des Jahres, sondern gleich des Jahrzehnts festsetzte, blieb mir nur noch Eigeninitiative übrig. Also habe ich mich kurzerhand allein in das Wunderland des Entrelac aufgemacht. Und fand mich erstmal auf einer regelrechten Achterbahnfahrt durch die Vor- und Nachteile der Technik wieder:

  • Juhu: Man strickt in einem Stück, das Vernähen der Fäden wird also um einiges übersichtlicher als es auf den ersten Blick scheint.
  • Och nee: Jedes kleine Minirechteck wird einzeln gestrickt, was bedeutet, dass man ununterbrochen zwischen Vorder- und Rückseite hin- und herrotiert.
  • Haha: Nicht-Stricker glauben, man habe magische Fähigkeiten.
  • Hmpf: Wenn man es mit dem Entrelac übertreibt, glauben Nicht-Stricker, man habe den Verstand verloren.

Entrelac ist eine Stricktechnik, die aussieht, als habe man unzählige gestrickte Streifen miteinander verflochten und vernäht. Gestrickt wird das Ganze aber in Wahrheit in einem Stück, ist aber dennoch etwas aufwändiger und kleinteiliger als die meisten anderen Stricktechniken: Jedes Stückchen wird nacheinander gearbeitet und dabei an die Viereckchen der Vorrunde angestrickt. DROPS hat dazu ein sehr schönes Video, in dem die Technik gut gezeigt wird:

[dsgvo-vimeo url=”https://vimeo.com/7106400″ ]

Nun konnte ich also Entrelac. Doch jetzt stellten sich zwei wichtige Fragen: Was stricke ich damit und wie umgehe ich diese elendige Wenderei für die kurzen Hin- und Rückrunden?

Ein Pullover in Entrelac ist wahrlich nichts, was ich anziehen möchte. Die Technik ist zwar eindrucksvoll, lässt einen aber, je nach Farbwahl, schnell wie eine unselige Kreuzung zwischen einem Clown und seinem Zirkuszelt aussehen und ist vermutlich auch deshalb so lange in der Versenkung der Stricktechniken versunken. Nach intensiver Suche habe ich ein paar schöne Anleitungen gefunden, die ich euch am Ende des Beitrages verlinke, und mich für den Anfang auf ein Paar einfache Stulpen verlegt.

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Vorlage war die DROPS Sockenanleitung 114-19, die ich einfach nur bis zum Anfang der Ferse gestrickt und mit einem weiteren Bündchen abgeschlossen habe. Die Anleitung empfiehlt das Sockengarn DROPS Fabel, was recht logisch ist, jedoch für eine halbwegs ausgewogene Farbverteilung erfordert, dass man sich mehrere Miniknäuel wickelt und von Zeit zu Zeit abwechselt.

Nein danke! Ich will die Technik einfacher haben, nicht komplizierter, deshalb habe ich stattdessen die DROPS Delight genommen und den schönen Farbverlauf den Rest erledigen lassen.

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Problem eins erledigt, kommen wir zu Problem zwei. Meine Rechtecke hatten gerade mal 9 Maschen, das bedeutet: 9 Maschen auf der Vorderseite stricken, wenden, 9 Maschen auf der Rückseite stricken, wenden, die Katze aus dem Arbeitsfaden befreien, 9 Maschen auf der Vorderseite stricken, wenden, einen dicken Knoten auffummeln, 9 Maschen auf der Rückseite stricken, wenden, laut um Hilfe schreien, bis der Ehemann kommt und mich mit der Schere aus meinem Wollchaos herausschneidet. Ende Rechteck Nummer 1, Start Rechteck Nummer 2. Geht das nicht auch anders?

Geht es! Ich erinnerte mich, Anleitungen zum Rückwärtsstricken gesehen zu haben. Ich hatte diesen Trick sogar schon ein paar Mal ausprobiert, dann aber wieder achselzuckend verworfen, weil ich linke Maschen einfach schneller und gleichmäßiger stricken kann und deshalb nie Verwendung dafür hatte.

Für Entrelac aber ist die Technik perfekt, denn hier geht es eh nicht besonders schnell voran und man kann damit ganz einfach alle Rückreihen von der Vorderseite her stricken, ohne die Arbeit jemals wenden zu müssen.

Wie das funktioniert, möchte ich euch gern in Aktion zeigen! Dafür habe ich dieses Video gedreht:

Klicke hier wenn du unser Video ansehen möchtest.

Nach meinem ersten Entrelac-Projekt muss ich sagen, dass ich die Technik wirklich gern mag. Sie braucht zwar mehr Aufmerksamkeit als der simple Glatt-Rechts-Pulli, ist dank Rückwärtsstrick-Trick und Farbverlaufsgarn aber frustfrei und unterhaltsam. Und so ist dann auch schneller als gedacht dieses hübsche Paar Stulpen in Herbstfarben fertig geworden:

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Anleitung: DROPS Entrelac-Socken 114-19 (nur der Schaft), Größe 38/40
Garn: 2× DROPS Delight, Fb. 10, oliv/rost/pflaume
Nadeln: Bambus-Nadelspiel Stärke 2,5

Und hier noch, wie versprochen, meine kleine Sammlung vielversprechender Entrelac-Anleitungen auf Ravelry:

Wie sind eure Erfahrungen mit Entrelac? Hat die Technik Stephen-West-Potenzial?

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Kommentare

  1. Von Steffi am 21. Oktober 2016:

    Cool, die sehen super aus und jetzt hab ich endlich mal gesehen, wie man rückwärts strickt =)

  2. Von Christine am 21. Oktober 2016:

    Nina, du bist genial!
    Entrlac stricken und rückwärts stricken hatte ich mir einzeln schon angesehen. Aber es miteinander zu verbinden, darauf muss Frau erstmal kommen.
    Vielen Dank für deine Überlegungen und diesen tollen Blog-Beitrag!
    Im neuen Jahr werde ich mich daran versuchen. Aber jetzt warten noch 2 KALs und die Weihnachtsgeschenke……

  3. Von Britt am 22. Oktober 2016:

    Genial, danke! Und die Stulpen sind so schön geworden, dass ich sie am liebsten gleich nachstricken würde…Bestimmt ein gutes Übungsstück, ich werde es mir abspeichern und irgendwann probieren.

  4. Von Petra am 23. Oktober 2016:

    Danke für das moderne Aufarbeiten dieser (leider – wir setzten auf Mr. West) verstaubten Technik. Die Stulpen sind total klasse geworden. Richtige Hingucker. Prima Idee.

    Tja, und selbst wenn mich das Thema jetzt so null interessiert hätte, dein Beitrag liest sich so spritzig und witzig. Alleine das Lesen war eine Freude.
    Also wenn dein Interesse am Stricken mal nachlässt – Schreiben wäre eine Alternative !

    • Von Nina am 23. Oktober 2016:

      Vielen Dank, Petra! Ich zähle dann auf dich, wenn mein Buch erscheint. 😉

  5. Von Petra P. am 23. Oktober 2016:

    Hallo Nina,

    wieder ein klasse Beitrag. Das verflochtene Stricken, wie man es auch nennt, gefällt mir auch sehr gut.Die Stulpen sehen prima aus und ich werde mich demnächst auch daran versuchen, zwar keine Stulpen aber an einen Loop habe ich gedacht.. Ich werde auch das rückwärts stricken einsetzen, denn das viele wenden schreckt mich ab.

    • Von Nina am 23. Oktober 2016:

      Für Loops ist die Technik klasse. Zum Beispiel aus der Air in zwei pudrigen Tönen … ach, würde ich doch bloß Alpaka am Hals vertragen!

    • Von Britta am 23. Oktober 2016:

      Achtung: Entrelac sieht nur vor dem ersten Waschen ohne Spannen so schön 3-D aus. Nach dem Waschen kommt es flach daher und leiert unglaublich aus. Dann sind Armstulpen zwar noch immer als Beinstulpen zu gebrauchen, aber größere Stücke wie Loops werden dann elend lang, ich empfehle dringend eine Maschenprobe!!!!

      Ich habe vor 30 Jahren in den 80er schon gestrickt, als bunt en vogue war… einen Langarmpulli für meinen Exmann. komplett in Flechtmuster, alles in einem Stück gestrickt incl. Ärmeln., so ein T-Pulli, hinten unten angefangen, über die Schulter rüber bis Bund unten vorne und dann an den Seiten zusammengenäht…..

      Es war eine ungeheure Arbeit, über die gesamte Armbreite einen kompletten Pulli so in rot-schwarz zu stricken. Mein Mann war stolz wie Bolle, und nach der ersten Wäsche war es dann ein knielanges Kleid mit Ärmeln bis an die Knie, der dann ungeribbelt im Müll landete…..

      heute ist es so altbacken wir Collegesocken.

      Manche Techniken sind nicht grundlos in der Versenkung verschwunden.

  6. Von Britta am 23. Oktober 2016:

    PS: Mac Guyver hatte mal so einen an, das war die Zeit der Vokuhila-Haare und Karottenhosen, und damals durften Männer solche weiten Blousonpullis tragen, ohne in der S-Bahn vermöbelt zu werden, schmunzel……

  7. Von B. Mayer am 28. März 2017:

    Das Dreiecktuch von Eva Martinsson hat es mir angetan. Den Einwand, daß es nach dem Waschen den 3D-Effekt verliert, kann ich wohl nachvollziehen, möchte aber auf beides nicht verzichten. Gibt es da nicht vielleicht einen Trick? Oder behält es wenigsten etwas das Volumen?

    • Von Nina am 29. März 2017:

      Ich habe es zwar noch nicht ausprobiert, stelle mir aber vor, dass es hilft, das Tuch locker im Liegen zu trocknen. Also auf keinen Fall aufspannen, hängen, ziehen oder dergleichen. Plan B: Nicht waschen?

  8. Von Britta am 29. März 2017:

    offen gesagt weiß ich da keinen Trick. vielleicht mit einem unelastischen Baumwollgarn? Nach meinen Erfahrungen bleibt nach dem Waschen einfach ein flaches Muster mit Karos übrig.
    Aber ich ahbe auch immer nur glatt rechts gestrickt, vielleicht belibt es plastischer, wenn man die einzelnen Karos unterschiedlich strickt

  9. Von Britta am 29. März 2017:

    ich habe bei Pinterest Socken im Entrelacstil gesehen, die sahen echt lustig aus. Vielleicht wäre Entrelac ein spannendes Filzexperiment?

    • Von Nina am 29. März 2017:

      Entrelac filzen! Das stelle ich mir in der Tat sehr schön vor, danke für den Tipp Britta!

  10. Von Britta am 29. März 2017:

    ich bin gespannt auf Deine Bilder von Deinen Filzprojekten :-)))))

  11. Von Corina Sinke am 11. September 2017:

    Ich habe das Video jetzt ca 596 mal geschaut, allerdings schnalle ich einfach nicht wie es in Runden gestrickt wird!!!
    grrr

    Ist da evtl. jemand der mir das erklären kann???

    • Von Nina am 12. September 2017:

      Hallo Corina,
      die Technik funktioniert in Runden eigentlich ganz genauso wie in Reihen. Man spart sich sogar noch die halben Rand-Vierecke, muss aber im Gegenzug im Auge behalten, wann die Runde vollendet ist (Maschenmarker reicht da schon). Ansonsten gibt es keinen Unterschied – die Vierecke werden immer nacheinander im Ganzen gestrickt.

      Die Anleitung zu den Entrelac-Socken, die ich für die Stulpen verwendet habe, beschreibt das Ganze Schritt für Schritt: https://www.garnstudio.com/pattern.php?id=4320&cid=9
      Da DROPS-Anleitungen aber manchmal etwas unübersichtlich sein können, habe ich noch diese Seite für dich, bei der jeder Schritt mit Bildern gezeigt wird:
      http://blog.stricking.de/mehrfarbiger-entrelac-loop/

      Hilft dir das weiter?
      Viele Grüße
      Nina

  12. Von Nicole am 26. Mai 2018:

    Hallo Nina,
    hast Du eine Idee, wie ich bei dem Entrelac-Muster für einen Ärmel am Rand Maschen zunehmen kann?
    Viele Grüße
    Nicole

    • Von Nina am 27. Mai 2018:

      Hallo Nicole, das ist wirklich kniffelig. Die einfachere, aber unelegantere Lösung besteht darin, den Ärmel in Reihen zu stricken und die Zunahman ganz am Rand zu machen, so dass ein breiter werdender Streifen entsteht, der einfach nur glatt rechts und nicht im Entrelacmuster ist. Eleganter, aber komplizierter ist es, die Karos an den Ränder breiter werden zu lassen. Hilft dir das?

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