Living On The Edge: Randmaschen

Es gibt so vieles, was man das ganze Leben lang gleich macht. Beim Frühstück erst das Käsebrot, dann das Marmeladenbrot zu essen ist so ein Beispiel bei mir. Habe ich immer so gemacht, nie drüber nachgedacht, und als ich zum ersten Mal darauf angesprochen wurde, war meine erste Reaktion: Das macht man halt so! Bis mir dann doch klar geworden ist, dass weder im Grundgesetz noch auf Moses’ Steintafeln etwas über Frühstücksbrote steht, und es allein meine Gewohnheit war, die mich hier geleitet hat.

Beim Stricken habe ich ähnlich auffällige Gewohnheiten. Da kann ich hinsichtlich neuer Techniken, Materialien und Farbkombinationen noch so experimentierfreudig sein, eine Sache mache ich doch immer gleich: Randmaschen. Klar, soll an diesem Rand später noch ein Bündchen angestrickt oder ein anderes Strickstück angenäht werden, muss man nicht groß kreativ werden, da ist es das Beste, die Randmaschen ganz bräsig glatt oder kraus rechts zu stricken. Was ist aber mit Randmaschen, die beim fertigen Strickstück zu sehen bleiben, etwa bei einem offenen Cardigan ohne Knopfleiste oder bei einem Schal?

Wann immer eine Anleitung mir nichts Besonderes vorschreibt oder ich ohne Anleitung arbeite, stricke ich die Maschen am Anfang und Ende der Reihe immer nach gelerntem Schema. Erste Masche abheben, letzte Masche rechts stricken – fertig ist der klassische Kettrand. Macht man halt so! Aber warum? Und geht es auch anders? Ich habe mich mal durch ein paar Alternativen durchprobiert.

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1. Der Klassiker

Erste Masche mit Faden vor der Arbeit wie zum Linksstricken abheben, letzte Masche rechts stricken, so habe ich den Kettrand dereinst gelernt und nie hinterfragt. Bei Anderen habe ich gesehen, dass sie die erste Masche rechts stricken und die letzte abheben oder womöglich in irgendeiner Kombination davon eine Masche links stricken. Macht das einen Unterschied?

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Jein. Es kommt eigentlich nur darauf an, wo man den Faden beim Abheben der ersten oder letzten Masche hat, und ob man diese abgehobene Masche dann links oder rechts strickt. Ob man dann die erste oder die letzte Masche abhebt, ist eigentlich egal.

Faustregel: Wird die Masche mit Faden vor der Arbeit abgehoben, muss sie in der nächsten Reihe rechts gestrickt werden, um einen Kettrand zu bilden. Wird die Masche mit Faden hinter der Arbeit abgehoben, muss sie links gestrickt werden. Andersherum – Faden vor der Arbeit und links stricken, beziehungsweise Faden hinter der Arbeit und rechts stricken – ergibt einen buckeligeren Rand. Zwar nicht ganz so buckelig wie der Knötchenrand (alle Randmaschen rechts stricken, nichts abheben), aber sehr ähnlich. Hier im Bild seht ihr das Ergebnis auf der rechten Seite. Links ist der „schöne“ Kettrand.

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Trotzdem bleibe ich beim Kettrand bei meiner Variante. Ich hebe generell lieber die erste Masche ab als die letzte, damit ich am Reihenende nicht mehr daran denken muss. Außerdem kann ich dann die erste Randmasche verschränkt abstricken, was bei mir als Lockerstrickerin einen etwas ordentlicheren Rand ergibt.

2. Der Streber

Der Kettrand ergibt am meisten Sinn, wenn der Rand keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen soll. Wenn der Rand des Strickstücks dagegen etwas sichtbarer sein und womöglich auch noch ein Einrollen der Seitenränder verhindern soll, funktioniert ein iCord-Rand sehr gut.

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Antje hat ihn schon mal in ihrem Beitrag über den iCord im Allgemeinen gezeigt. So ein iCord ist nämlich ein ganz schöner Alleskönner, den man für den Maschenanschlag, zum Abketten, zum Herstellen von Bändeln oder eben als Randmasche verwenden kann.

Als Randmasche ist er ganz einfach:

  • am Anfang und am Ende der Reihe je 2 bis 4 Maschen für den iCord-Rand reservieren (ich nehme gerne 3)
  • Hinreihe: Alle Randmaschen rechts stricken
  • Rückreihe: Alle Randmaschen ungestrickt abheben, Faden bleibt vor der Arbeit

Natürlich kann man hier auch in anderer Reihenfolge vorgehen, das macht dem iCord-Rand nichts. So gehts auch:

  • Hinreihe: Randmaschen am Reihenanfang rechts stricken, Randmaschen am Reihenende ungestrickt abheben, Faden vor der Arbeit
  • Rückreihe: genauso

Oder …

  • Hinreihe: Randmaschen am Reihenanfang ungestrickt abheben, Faden vor der Arbeit, Randmaschen am Reihenende rechts stricken
  • Rückreihe: dito

In jedem Fall wird der Rand durch das Abheben der Maschen zu einer kleinen Röhre zusammengezogen. Das sieht sehr ordentlich aus und ist sehr stabil. So stabil tatsächlich, dass sich der iCord-Rand weniger für Projekte eignet, die in irgendeiner Weise flexibel oder dehnbar bleiben sollen.

Ein Tuch oder Schal mit iCord-Rand funktioniert also nur dann wirklich gut, wenn das Hauptmuster selbst relativ fest ist. Brioche, kraus rechts Gestricktes und dergleichen wird mit diesem Rand an eine strenge Leine gelegt. Aber keine Sorge, auch dafür gibt es eine Lösung, hier in blau umgesetzt:

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Nämlich den Schummel-iCord. Dabei handelt es sich um einen ganz simpel glatt rechts gestrickten Rand, der sich naturgemäß einrollt und dadurch dem iCord zum Verwechseln ähnlich sieht. Im Gegensatz zum Original ist er aber sehr flexibel und dehnbar. Im Alltagseinsatz kann es schon mal passieren, dass er seine geheime Identität als Rollrand versehentlich preisgibt – aber dafür müsste man schon sehr genau hinsehen.

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Hier noch mal die Anleitung für den Schummel-iCord:

  • am Anfang und am Ende der Reihe je 2 bis 4 Maschen für den Rand reservieren (ich habe im Bild wieder 3 genommen)
  • Hinreihe: Alle Randmaschen rechts stricken
  • Rückreihe: Alle Randmaschen links stricken

Um die äußersten dieser Randmaschen braucht ihr euch übrigens keine Gedanken zu machen. Kettrand oder dergleichen wird hier nicht gebraucht, die äußersten Maschen verschwinden ja eh durch das Einrollen.

3. Die Alternative

Interessanterweise habe ich noch einen dritten Weg des Randmaschenstrickens aufgetrieben, der sowohl optisch wie auch vom Aufwand her genau zwischen dem Kettrand und dem iCord-Rand liegt. Schaut mal hier:

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Die Distitch Edge von Assia Brill erzeugt eine Art dichteren Kettrand, der sehr ordentlich aussieht, aber nicht so aufträgt wie ein iCord (oder Schummel-iCord). Aus Urheberrechtsgründen kann ich die Anleitung für die Distitch Edge hier nicht wiedergeben, aber über den Link oben kommt ihr zur Gratis-Anleitung auf Ravelry, die man dank der hervorragenden Bebilderung auch ohne Englischkenntnisse nachvollziehen kann. Wenn man einmal den Dreh raus hat, stricken sich diese Randmaschen sehr schnell und sehen auch bei lockerem Stricken gut aus!

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Für mich definitiv eine Randmaschentechnik, für die ich meinen Gewohnheits-Kettrand aufgeben könnte!

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Kommentare

  1. Von Britta D. am 24. Juli 2020:

    Danke, Nina Dein Beitrag kommt wie gerufen für meinen V-Ausschnitt

  2. Von Manja am 26. Juli 2020:

    Hallo, da leg ich noch eine Variante drauf: die Klappmasche.
    So ähnlich wie der Schummel-I-Cord, nur schmaler.
    1 li 1 re am Anfang und am Ende einer Reihe. Die linke Masche klappt weg und am Rand sieht man eine schöne saubere rechte Maschensäule.

    • Von Katharina am 28. Juli 2020:

      Das klingt ja auch gut! Danke!

  3. Von Petra P. am 28. Juli 2020:

    Guten Morgen Nina,
    danke für den tollen Beitrag. ich mache es meist ganz einfach, ich stricke alle Maschen normal, wie die Reihe beginnt, egal ob links oder rechts. Es kommt immer auf das Strick Stück an. Manchmal mache ich es so wie Manja beschrieben hat. Beide Varianten habe ich damals gelernt. Habe schon festgestellt, dass in jeder Region man es etwas anders gelernt hat..
    Viele Grüße Petra

  4. Von Sylvia am 13. August 2020:

    Hallo, schön dass sich jemand die Mühe macht, alles zu vergleichen. Da meine Randmaschen immer so unsinnig groß geworden sind, hab ich mir angewöhnt, die letzte Masche zu verkürzen. Ich hol mir aus dem letzten Querfanden noch eine Schlaufe und leg sie auf die Nadel zur Randmasche, so als würde man eine Masche zunehmen wollen. Diese beiden hebe ich dann mit dem Faden nach vorne ab. Dann strick ich diese zwei Fäden am Beginn der neuen Reihe verschränkt zusammen.
    Soweit zu meiner Gewohnheit – ob’s dafür einen Namen gibt…?

    • Von Sigrid am 14. September 2020:

      Liebe Sylvia, nun stricke ich schon 55 Jahre, hatte immer auf einer Seite diese lang gezogenen Randmachen. Dann bin ich auf Knötchenrand “umgestiegen”. Nun bin ich wieder dank deiner Idee zum Kettrand zurückgekehrt und siehe da!- sieht super aus.
      Vielen Dank für den Tipp!
      Möge uns niemals das Garn ausgehen!
      Fröhliches Weiterstricken
      Sigrid

  5. Von Henrike am 13. September 2020:

    Vielen Dank mal wieder für die tollen Tipps!
    Ich arbeite direkt mit dem Distich -Rand , schaut super aus.
    Herzliche Grüße

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