Lace für Fortgeschrittene: Musterbreite anpassen

Vor einiger Zeit fand ich mich in einer ganz eigenartigen Situation wieder: Ich hatte ein Projekt abgeschlossen und kein neues bereitliegen! Seltsam, ich weiß. Aber hatte ich zum ersten Mal seit Langem mal wieder die Muße, in aller Ruhe durch Ravelry zu blättern, mir ein neues Projekt auszusuchen, die Wolle dafür zu bestellen und es zu stricken. Kein Das ist schön, ich setze es mal auf Platz 63 meiner Strickliste. Kein Garn-auf-Vorrat-Bestellen. Ganz schön ungewohnt.

Aber was wollte ich denn eigentlich stricken? Die Sachen in meiner Favoritenliste und Queue auf Ravelry sind alle sehr schön, aber nichts davon wollte mich so richtig reizen. Was ich wirklich in diesem Winter brauchte, war ein unkomplizierter Pullover, der zu allem passt, aber nicht langweilig aussieht.

Sofort fiel mir der Chalkstone Pullover von Isabell Kraemer ein, den ich vor Jahren mal gestrickt habe und noch immer heiß und innig liebe. So einen wollte ich aus DROPS Lima für den Winter haben, aber dann das Lace-Muster nur auf der Vorderseite statt rundum, damit er auch warm genug ist!

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Die Sache hatte eine Herausforderung: Designerin Isabell hat das Lace-Muster auf Endloswiederholung in der Runde angelegt, ich wollte es aber an den Seiten enden lassen und außerdem eine Taillierung einstricken – und zwar so, dass es nicht nach völligem Murks aussieht. Hier mein Ergebnis:

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Wie das funktioniert? Das zeige ich euch jetzt. Damit ich das tun kann, ohne Isabells Urheberrecht an ihrem Muster zu verletzen, habe ich das Lace-Muster aus der Original-Anleitung gegen ein recht ähnliches Muster ersetzt, das ich bei DROPS gefunden habe und das ihr vielleicht auch noch von Angeliques zauberhaftem Lace-Schal „Lente“ kennt. Das Prinzip ist aber bei so ziemlich allen Lace-Mustern gleich und ließe sich auch auf den Chalkstone anwenden, wenn ihr die Anleitung kauft. Hier das von mir verwendete Muster:

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich über meinen ersten Lace-Anleitungen halb wahnsinnig geworden bin. Sie sahen für mich wie eine willkürliche Aneinanderreihung von komplizierten Manövern aus, die wie durch ein Wunder am Ende ein fantastisches Maschenbild ergeben haben – oder auch nicht.

Im Laufe der Zeit ist mir dann nicht nur aufgegangen, dass die Zeichen der Strickschrift tatsächlich in vereinfachter Form das gestrickte Ergebnis zeigen, sondern dass die große Mehrheit der Lace-Muster auch auf einem ganz einfachen Prinzip basiert: Zunahmen und Abnahmen gleichen sich immer aus.

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Der Bereich im hellgrünen Kasten ist der Rapport, der mehrmals aneinandergereiht wird. Links und rechts des grünen Kastens seht ihr die Ränder des Lace-Musters, die zum Beispiel zum Formen einer Taille, einer Raglanschräge oder dergleichen verbreitert oder verschmälert werden.

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Durch die Abnahmen fällt jetzt die erste und letzte Masche des Musters weg (rot markierte Spalte). Die zum Muster gehörenden Abnahmen werden durch die Taillenabnahmen nach und nach „aufgefressen“, was uns aber nicht weiter stören soll. Wir stricken einfach weiter stupide unser Lace-Muster, lassen aber überall dort, wo eine Abnahme wegfällt, auch den nächstgelegenen Umschlag weg (ebenfalls rot markiert) – sonst haben wir eine Masche zu viel und statt einer Taille produzieren wir einen gleichbleibenden Schlauch.

Die Taillenabnahmen selbst habe ich übrigens ganz schmerzlos und ohne Rücksicht auf das Lace-Muster gemacht, indem ich zu Beginn und am Ende des Mustersatzes zwei Maschen zusammengestrickt habe.

Ist man an der Taille vorbei, geht es bei den Zunahmen genauso weiter: Neue Maschen werden regelmäßig am Rand hinzugefügt und ins Muster integriert. Auch hier muss die zum Lace-Muster gehörende Abnahme immer gemeinsam mit ihrem Umschlag auftreten.

Was ihr noch im Hinterkopf behalten solltet:

  • Wenn nicht genug Maschen beisammen sind, um das Zu-/Abnahmepaar des Lace-Musters zu arbeiten, strickt ihr am besten bis zum nächsten Zu-/Abnahmepaar glatt rechts. Das lässt das Muster an dieser Stelle zwar etwas an Kontur verlieren, wirkt aber im Gesamtbild besser als wilde Improvisationen.
  • Dort, wo drei Maschen zusammengestrickt werden, gehören logischerweise zwei Umschläge als ausgleichende Zunahmen dazu. Wird eine solche doppelte Abnahme am Rand angeschnitten, könnt ihr sie durch eine einfache Abnahme mit einem einzelnen Umschlag ersetzen:
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  • Und dann gibt es natürlich auch noch die berühmten Ausnahmen von der Regel: Lace-Muster, bei denen Zu- und Abnahmen absichtlich nicht ausgeglichen sind. Das kann bei Mustern der Fall sein, die auf diese Weise beispielsweise die Taillenformung zustandebringen oder die das dadurch entstehende Ungleichgewicht der Maschenzahl in einer Reihe dann erst in einer späteren Reihe wieder ausgleichen. In solchen Fällen ist mein Rat: Richtet euch mit der Anzahl der Zu- und Abnahmen in jeder Reihe nach dem Original. Das erfordert dann vielleicht etwas Tüftelei mit Papier und Bleistift, lohnt sich dafür aber auf jeden Fall.

Ich hoffe, ich konnte euch mit dieser kleinen Theoriestunde das Thema Lace etwas näher bringen!

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Kommentare

  1. Von Sabine am 13. Dezember 2016:

    Hallo Nina,

    vielen Dank für Deine Beschreibung. Ich hadere gerade mit einem Laceprojekt, bei dem ich den unteren Teil des Tuchs vor der Abschlussbordüre verlängern will. Da die äußeren Reihen alle anders sind, kann ich nicht einfach einen Mustersatz wiederholen.
    Jetzt werde ich mich mal mit Deinen Erkärungen auseinander setzen, vielleicht klappt es dann. Bin nämlich schon lange oben und wusste bisher nicht weiter

    Grüßle
    Sabine

    • Von Nina am 14. Dezember 2016:

      Hallo Sabine,
      Lace-Tücher sind sogar ursprünglich der Grund, warum ich mich angefangen habe, mich mit dem Thema auseinander zu setzen. Ich wollte einfach nicht mehr vor jeder Anleitung wie vor einer mystischen Zauberformel sitzen, sondern das Muster verändern oder neue Varianten umsetzen können.
      Sag gern Bescheid, wenn du mit deinem Projekt stecken bleibst, dann schauen wir mal zusammen drauf. 🙂

  2. Von Petra P. am 14. Dezember 2016:

    Hallo Nina,

    wie immer hast Du eine sehr gute Erklärung für Dein Pulloverprojekt geschrieben und der gefällt mir auch noch klasse.
    Voriges Jahr habe ich es ähnlich gemacht wie Du, ich habe in etwa so ein Muster eingestrickt aber nur oberhalb der Brust. Mehr als Blickfang, denn so einen Pullover hatte ich mal vor Jahren und der gefiel mir sehr. Es war gar nicht so einfach aber trotzdem habe ich es gut hinbekommen. Habe den Pullover aus Drops Baby Merino gestrickt, der ist schön warm und sieht gut aus.

    • Von Nina am 14. Dezember 2016:

      Oh ja, die Baby Merino ist auch hervorragend für Muster aller Art geeignet! Die könnte ich jederzeit wieder verstricken …

  3. Von Veronika am 14. Dezember 2016:

    Liebe Nina,
    ich danke dir sehr für deine tolle Beschreibung. So oft sehe ich ein schönes Muster und denke mir, das könnte man doch genau so in einen RVO einbauen. Aber ich wusste nie, wie ich das machen sollte! Jetzt bin ich schlauer und muss das wirklich dringend mal ausprobieren!
    Liebe Grüße Veronika

    • Von Nina am 14. Dezember 2016:

      Unbedingt! 😀

  4. Von Jutta Schöppler am 14. Dezember 2016:

    Hallo Nina, welche Farbnummer hat die Lima bei diesem Pullover?
    Sieht sehr türkis aus, es gibt aber doch nur das Meeresgrund in dieser Farbrichtung.

    • Von Nina am 15. Dezember 2016:

      Hi Jutta,
      du hast Recht, das ist in der Tat die Farbe “Meeresgrün” – die auch mich immer wieder überrascht. Sie wirkt je nach Lichtverhältnissen entweder stumpf-bläulich bis hin zu pastell-türkis. 🙂

  5. Von Uschi am 21. Januar 2017:

    Hallo Nina,
    ich finde den Pullover sehr schön.
    Hast du auch noch eiine Anleitung für den Rest, also nicht nur für das Muster? Maße reichen mir auch schon und vllt noch wie du die Raglanärmel gemacht hast…
    Und noch eine Frage: Ist der Pullover in Runden gestrickt? Auf dem Detailbild sieht es so aus…
    Vielen Dank schonmal und schöne Grüße
    Uschi

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