10 Dinge, die uns Stricker einzigartig machen

Die Wollliebhaber an und für sich sind ja eine ganz besondere Spezies. Wenn wir uns immer unter unseresgleichen tummeln, fällt es uns schon gar nicht mehr auf. Aber kühne Feldforscher könnten vermutlich ein ganzes Lexikon mit den Eigenarten und einzigartigen Fähigkeiten von Strick- und Häkelwesen schreiben. Ich habe mal versucht, unsere zehn größten und schönsten Besonderheiten zu ermitteln.

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  1. Wir sind Einstein
    Praktisch angewandte Relativitätstheorie: Wenn ich sehe, dass mein aktuelles Knäuel nur noch einen knappen Meter Garn hat, ich aber noch ein Stück von der Stelle meines bevorzugten Knäuelwechsels entfernt bin, stricke ich schneller. Die Logik dahinter: Wenn ich schneller arbeite, wird das Garn länger. Umgekehrte Logik, genauso bekloppt schlau: Geht mir beim Abketten das Garn aus, arbeite ich langsamer. Weil dann das Garn auch länger hält.
  2. Wir sind gewissenhaft
    Dass wir alle ungemein brave Kinder waren und immer gut in der Schule aufgepasst haben, versteht sich von selbst. Ich zum Beispiel bin sehr stolz darauf, noch immer alle Zahlen von 1 bis 100 und viele danach auswendig aufsagen zu können. Zähle ich aber Maschen auf meiner Stricknadel, werde ich plötzlich unsicher. Waren das jetzt sicher 25 Maschen? Hab ich die da hinten nicht übersehen? Besser noch mal nachzählen, auch wenn ich schon viermal auf die gleiche Maschenzahl gekommen bin …
  3. Wir sind sportlich
    Auch immer wieder gerne, besonders bei Lace: Einen Mustersatz, den ich jetzt schon etliche Male blind, ohne nachzudenken und im Halbschlaf gestrickt habe, plötzlich vergessen. Aber so völlig. Und dann bei der hundertsten Wiederholung wie Ochs vorm Wollberg sitzen und nicht mehr weiter wissen. Alles hinschmeißen, fluchend zum Schrank rennen, in den ich in allzu großer Zuversicht die Anleitung geworfen habe, das Muster nachlesen, fluchen, zurück zur Strickecke laufen, fluchen, weiterstricken. Bis der nächste Aussetzer mich auf die nächste Jogging-Tour schickt.

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  1. Wir sind gute Projekt-Manager
    Das ist etwas, was ich gerne bei neuer Wolle genauso wie bei ungeliebten UFOs mache. Ich sage mir, dass ich sie ganz bald verstricke beziehungsweise weiterstricke und es sich deshalb gaaar nicht lohnt, sie in den Stash (Wolle) oder in den Projektkorb (UFO) zu legen. Und schwupps, verschwinden sie in irgendeiner dunklen Ecke. Bei neuer Wolle hat das den Vorteil, dass meine Vorratsboxen nicht überquellen und ich mir deshalb vormachen kann, ich hätte meinen Stash im Griff. Bei UFOs wiederum führt der Trick dazu, dass ich sie ein paar Monate bis Jahre vergesse und mir sagen kann, ich hätte meine Projekte im Griff. An der Realität des heimlichen Chaos in meinem Woll-Leben ändert beides nichts. Leider.

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  1. Wir sind lebende Maßbänder
    „Im Ikea-Katalog steht, das Bild ist 40 mal 40 cm groß … ob das wohl hier an die Wand passt?“ Die Frage ist schnell beantwortet, wenn Stricker im Haus sind! Durch hundertfaches Wann-Ist-Das-Verdammte-Bündchen-Denn-Endlich-Lang-Genug können wir alle mit unseren Händen Maß nehmen. Mein Zeigefinger bis zum mittleren Gelenk misst etwa 5 cm, bis zum Knöchel 10 cm und wenn ich alle Finger spreize, habe ich von Daumenspitze bis zur Spitze des kleinen Fingers 20 cm. Mehr oder weniger, Pi mal Daumen. Präzisionsarbeit kann man damit vielleicht nicht leisten, praktisch ist es trotzdem oft.
  2. Wir sind Tierexperten
    Ein Alpaka von einem Lama unterscheiden können? Wissen, an welchem Tier Kaschmirwolle wächst? Auf Anhieb mindestens fünf verschiedene Schafrassen aufzählen können? Kein Ding! Als Stricker und Häkler nimmt man im Vorbeigehen eine Extraportion Bildung mit. Und kann im Zweifelsfall auch noch Bonusfragen wie „Was ist eigentlich Viskose?“ beantworten. Soll Herr Jauch nur kommen!
  3. Wir sind Multitasking-Profis
    „Boah, du kannst ja stricken und gleichzeitig reden!“ Tja, als Stricker ist man eben ein Multitasking-Genie. Wir können auch alle:

    • gleichzeitig stricken und darüber nachdenken, was wir als nächstes anschlagen
    • gleichzeitig Maschen zählen und störende Familienmitglieder weg-gestikulieren
    • gleichzeitig ribbeln und in die Stricknadeln beißen
  1. Wir sind gute Beobachter
    Ha, den könnte ich auch selbst stricken – das denke ich oft, wenn ich die Pullover und Strickjacken anderer Leute ansehe. Ist ja auch nur ein ganz einfaches Rippenmuster … oder doch ein Halbpatent? Am Ende glotze ich den Leuten dann immer viel zu lange auf die Kleidung, bis sie sich vermutlich fragen, ob sie irgendwo einen Fleck haben.
  2. Wir sind Klugscheißer
    Sylvester Stallone kann in Demolition Man quietschfidel aus dem Kälteschlaf erwachen, wild ballernd aus Helikoptern springen und ohne einen einzigen Kratzer durch Glasscheiben krachen – geschenkt. Aber mit einem einzigen Knäuel Wolle in Fingering-Stärke und einem Paar Jackennadeln an einem einzigen Abend einen kompletten Pullover für Sandra Bullock stricken? UNREALISTÖÖÖSCH! SCHEISSFIIILM! Seltsamerweise sehen Partner, Familienmitglieder und Freunde nicht gerne mit uns zusammen Filme. Total unverständlich, wenn man den nächsten Punkt bedenkt.

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  1. Wir sind Film-Experten
    Und dann gibt es da noch den umgekehrten Fall, in dem uns Schauspieler auf einen Schlag sympathischer werden, weil man erfährt, dass sie privat stricken. Russell Crowe zum Beispiel. War ein ganz okayer Gladiator, ja gut, meinetwegen. Aber dann habe ich dieses Bild hier gesehen. Ja, aber hallo! Ryan Gosling soll ebenfalls stricken. Top-Schauspieler! Wo bleibt der Oskar?

Ich finde ja, alles in allem sind wir eine sehr vielseitige und liebenswerte Bande 😉 Fallen euch noch weitere Eigenarten ein, die im Lexikon unter „Stricker*in“ stehen sollten?

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Kommentare

  1. Von Doris am 13. November 2020:

    1. Ich kaufe keine Wolle mehr, bis … passiert ist. Wirklich?
    2. Ich bin gleich fertig, nur noch x Reihen / Zentimeter! Dauert im wirklichen Leben noch mindestens 1 Tag.

  2. Von Kerstin am 13. November 2020:

    Wunderbar – du hast sowas von recht!
    Spontan fällt mir noch ein: Wir sind Sparfüchse! Jaaaaa! Denn wenn ich diee Freizeit, die ich mit Stricken verbringe, mit anderen Dingen (wie Essen gehen, Theater, Kino, Konzerte…) füllen würde, wäre das viel teurer. Und zu allem Überfluss haben wir am Ende auch noch ein Kleidungsstück / Geschenk / Accessiore. Da fällt das bisschen Geld für Wolle doch gar nicht ins Gewicht! 😉

  3. Von Gerhild am 14. November 2020:

    Oh ich erkenne mich wirklich wieder. Super geschr

  4. Von Mari am 14. November 2020:

    Oohh ja da erkenn ich mich auch wieder 😉

  5. Von Blitzstricker am 14. November 2020:

    Wir sind unkomplizierte Mitbewohner, weil wir uns mit einer gemütlichen Ecke und einer sparsamen Lichtquelle begnügen, leise unserem Hobby frönen, keine echte Konkurrenz bei Knabbereien darstellen – ausserdem die Fernbedienung gehört den ganzen Abend lang dem Partner/Mitbewohner…

  6. Von Recha Laip am 14. November 2020:

    Wie ist es mit Socken blind stricken?? Hab ich mir als Oberschülerin in den Endsiebzigern selbst beigebracht. Wir wollten im Unterricht stricken und diskutierten mit unserem Lehrer, der nicht stricken konnte. Schließlich erhielten wir die Erlaubnis unter folgenden Bedingungen:
    1. Wir mußten uns während des Strickens aktiv am Unterricht beteiligen, mit Melden! (D.h. das Strickzeug mit einer Hand festhalten, ohne daß Maschen fallen)
    2. Wir mußten ständig Augenkontakt zu dem Lehrer halten. Machte man einen Fehler und guckte auf’s Strickzeug, erlosch die Strickerlaubnis für diese Stunde.
    3. Wir mußten, wo erforderlich mitschreiben. (S. 1)
    Dadurch lernte ich, Socken blind zu stricken (ohne hinzugucken) – was noch heute in Gesprächen/Schulungen etc. meine Konzentration enorm verbessert (ist ja mittlerweile neurologisch bestätigt.

  7. Von Ute am 15. November 2020:

    Mir reicht ein Quadratmeter oder ein bisschen mehr, für meinen Schaukelstuhl und ne Lampe. Großes Haus? Wers braucht….

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