Das PVO-Löchlein-Syndrom

Als bekennende Verfechterin des PVO (Pullover, Von Oben nach unten gestrickt) muss ich euch etwas gestehen, dass ihr aber vermutlich schon wisst. Ja, er hat keine Nähte und wird (fast) vollständig auf der Außenseite gestrickt. Ja, man kann die Länge der Ärmel und des Rumpfes perfekt kontrollieren, denn ja, man kann den Pulli während des Strickens jederzeit anprobieren. Aber, ach: tief durchatmen! Er ist dennoch nicht perfekt. Er hat eine Schwachstelle! Er hat Löchlein unter den Armen.

Bild für Beitrag „PVO Loch“ 1

Nun sind Löcher ja kein Beinbruch, wie verschiedene Blogbeiträge meiner lieben Kolleginnen in letzter Zeit gezeigt haben, aber diese hier sind so ärgerlich, weil sie schon während des Strickens auftreten und trotz penibelster – oder besser, brutalster – Fadenspannung einfach nicht vermeidbar sind.

Warum?

Waruhuhuhum? Die einfache Antwort lautet: konstruktionsbedingt. Beim von oben nach unten gestrickten Pullover werden die Maschen am unteren Ende der Passe aufgeteilt wie eine Grundschulklasse beim Morgenkreis in der Grippesaison.

„Kinder, tut mir leid, Frau Fischer ist heute krank, ihr habt heute Unterricht in den Parallelklassen wie folgt: Mia bis Ben: ihr geht in die 2Ä (wie Ärmel). Katharina bis Theodor: in die 2B (wie Body). Torben-Hendrik bis Jasper-Quentin in den anderen Ärmel und Tyler-Justin bis Shayana-Melody wieder in den Body.“

Und dann steht die Zukunft unserer Gesellschaft auf, Ben lässt Katharinas Hand los, ebenso wie die anderen namentlich genannten Maschen, um sich im Nachbarraum einen neuen Platz im Gefüge zu suchen. Da ist was los! Könnt ihr noch folgen?

Querfäden

Wir reden über Querfäden! Querfäden sind die Hände, mit denen sich benachbarte Maschen aneinander festhalten. Seht ihr sie da direkt vor der Brust des … Moment mal, was macht das Küken dort?!

Bild für Beitrag „PVO Loch“ 2

Komm da raus, freches Biest! Guck, was du gemacht hast!

Bild für Beitrag „PVO Loch“ 5

Nee, war nur Spaß. Das warst du nicht. Da ist immer so, wie ich oben schon erwähnte. Geh du mal Ostereier anmalen. Hmm, tschüss. Zurück zu den Querfäden. Sie bilden die Verbindung zwischen benachbarten Maschen und genau da liegt der Osterhase im Pfeffer. Wenn wir die Maschen aufteilen, fehlen uns in der folgenden Runde Querfäden. Nicht, dass wir keine hätten, sie führen nur einfach zu den neuen Nachbarn und nicht mehr zu den alten.

Bild für Beitrag „PVO Loch“ 3

Und genau daher kommt das Loch.

Was tun?

Nachbessern. Natürlich kann man so ein kleines Löchlein, ohne viel darüber nachzudenken, irgendwie zunähen. Drei Stiche hin, drei Stiche zurück, Loch zu. Oder man zieht einen Ring um das Loch, selbigen fest zu und verknotet das Ganze auf der Innenseite. Aber da wir ja jetzt wissen, woher genau das Loch kommt, können wir es auch fachmännisch an der Wurzel packen und genau da nachbessern, wo es mangelt. Am fehlenden Querfaden. Den sticken wir einfach auf 😀

Wie Maschen aufsticken funktioniert, hat Nina hier unter Punkt 4 gezeigt. Weil die Methode quasi unsichtbare Ergebnisse bringt, habe ich zum Zeigen mit einer Kontrastfarbe gearbeitet. Ihr verwendet natürlich das Arbeitsgarn in derselben Farbe wie die Maschen.

Bild für Beitrag „PVO Loch“ 4

  1. Ich beginne mit den beiden Trennungskindern vor der Aufteilung. Die ziehen sich nämlich durch das Geschiebe und Geziehe in Teilungsrunde gern mal größer, als sie eigentlich sind. Zieht das Garn auf eine dünne, stumpfe Nadel. Von unten aus der Basis der rechten Masche kommend, taucht ihr von rechts nach links unter dem „V“ der darüber liegenden Masche durch und verschwindet mit der Nadel wieder durch die Basis auf die Rückseite. Ein kurzes Stück nach links und zum Luftholen aus der Basis der linken Masche auftauchen. Dann wieder unter dem „V“ der darüber liegenden Masche durchtauchen und –schwupps– zurück durch die Basis.
  2. Wiederholt das Ganze von links nach rechts für die Masche oberhalb der zuletzt nachgestickten: Von unten aus der Basis der Masche kommend, taucht ihr von links nach rechts unter dem „V“ der darüber liegenden Masche durch und verschwindet mit der Nadel wieder durch die Basis auf die Rückseite.
    Und jetzt zum entscheidenen Schritt: Spannt den fehlenden Querfaden nach rechts herüber und taucht aus der Basis derjenigen Masche auf, die aus der zuerst nachgestickten hervorgeht.
  3. Noch ein bisschen straffen und ordentlich auf der Rückseite vernähen – und schon sieht keiner mehr, dass hier jemals irgendwelche baulichen Mängel vorgelegen haben.

Was lernen wir daraus?

Vornamen sind Glückssache. Nehmt euch in Acht vor neugierigen Osterküken. Und: mit ein wenig gezielt eingesetzter Stickarbeit habt ihr nie wieder Ärger mit dem Löchlein-Syndrom. PVO: Perfektion von oben 😀

Facebook Pinterest Twitter

Kommentare

  1. Von Christiane Daniel am 20. März 2018:

    Danke für die Erklärung hat mir gut gefallen und war verständlich und hilfreich

    • Von Antje am 20. März 2018:

      Gerne, liebe Christiane 🙂

  2. Von Ilona von Buddenbrock am 20. März 2018:

    Soooo süsses Kücken 🙂

    • Von Antje am 20. März 2018:

      Jaa, das kam neulich ganz vorwitzig vom Dachboden runter und verkündete, dass jetzt bald Ostern käme und es daher dringend einen Auftritt bräuchte. Und wer widerspricht schon einem Küken? 😉

  3. Von Susanne am 20. März 2018:

    Oh das kommt ja wie gerufen!! Ich dachte immer das mit den Löchern liegt an mir- daher fand ich diese Erklärung nicht nur sehr hilfreich, sondern auch noch enorm beruhigend :-))! Und da ich grad gestern (in einem “Glückskind” ;-)) wieder erfolgreich neue Unterm-Arm-Löchlein produziert hab, kann ich diese jetzt zum ersten Mal ohne Knauberei beseitigen!

    Danke Antje :-)!

    • Von Antje am 20. März 2018:

      Super! Gleich in die Tat umsetzen! Viel Spaß noch beim Fertigstricken, Susanne 🙂

  4. Von Petra P. am 20. März 2018:

    Sehr gut erklärt. Ich stricke schon 50 Jahre lang nur von oben alle Pullover und Strickjacken, da man es so gut probieren kann. Na und das mit den Löchern löse ich immer ganz einfach, in dem ich wie beim Maschen Aufstricken bei den Socken in die vorhandene Masche steche und dann das kleine Löchlein zu stricke. Habe aber auch schon mit der stumpfen Nadel es so gemacht, wie Du es beschrieben hast. Kommt gerade darauf an, was meine Lust dazu sagt. Die ist leider nicht immer gleich, man kann es auch Faulheit nennen.

    • Von Antje am 20. März 2018:

      Das kennen wir, glaube ich, alle 🙂 Manchmal lässt man Fünfe grade sein und dass ist gut so. Aber es ist immer gut zu wissen, wie es perfekt funktioniert. Nur für den Fall, dass man sich aufraffen kann 😉

  5. Von Sabine am 20. März 2018:

    Liebe Antje, das Vornamen-Bingo war herrlich. Dazu fällt mir die Frage eines Journalisten an Kevin Kühnert, den Juso- Vorsitzenden, ein: Wo war Ihr Vorname schlimmer? Auf dem Schulhof oder in der SPD?
    Viele Grüße von Sabine (Jg. 66), die in jeder (Strick-)Runde zwar zwei bis drei Sabines trifft, deren Eltern aber wenigstens nicht originell sein wollten..
    Viele Grüße

  6. Von Kerstin am 20. März 2018:

    Wundervoll!! Vielen lieben Dank! 😀

  7. Von Tüt am 20. März 2018:

    Ich pfusche da ehrlich gesagt immer ein wenig rum, wenn ich die Maschen unter den Armen aufnehme, dann werden es meist ein paar mehr, die ich dann in der nächsten Runde zusammenstricke. Ich hatte noch nie Löcher unter den Armen 🙂

  8. Von Martina am 22. März 2018:

    Hast du vielleicht auch einen Link auf deinen liebsten PVO?
    Welche lassen sich gut stricken … ich würde so gerne Pashima dafür verarbeiten …

  9. Von Kim am 23. März 2018:

    Mensch, das ist wieder so ein Tipp, wo ich mir denke “warum bin ich da nicht selbst draufgekommen??”
    Vielen lieben Dank dafür!
    Und ich finde deinen Schreibstil super 😉 Danke für den Schmunzler

  10. Von Susanne am 24. März 2018:

    Hallo Antje,

    danke für den interessanten Beitrag. Bitte verrate uns doch, welche Wolle Du da für Deinen Pullover genommen hat . Die Farben im unteren Teil gefallen mir wahnsinnig gut (diese Braun- und Grautöne) und ich muss unbedingt wissen, welches Garn und welche Farbvariante das ist!

    Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende

    Susanne

    • Von Sarah am 29. März 2018:

      Hallo Susanne,
      Antje hat hier für den Body und die Ärmel die Madelintosh Twist light in der Farbe “Badlands” verstrickt. Oben in der Passe tummeln sich noch die Farben “Jade”, “Shire” und “Whiskey Barrel” in der gleichen Qualität. https://www.lanade.de/madelinetosh/madelinetosh-twist-light

      Liebe Grüße,
      Sarah (Antjes Urlaubsvertretung)

  11. Von Cialis am 03. April 2018:

    Der Schlauch wäre die Wucht, leicht und trotzdem lang genug. Hat nur einen Fehler.Leider nach kurzem Gebrauch, dass erste Löchlein. Die Verbindung der Anschlüsse rutscht leider immer wieder ab.Lesen Sie weiter

  12. Von Andrea Karminrot am 25. April 2018:

    Das kommt mir gerade recht. Ich habe nämlich gerade über die Löcher in meinem Pulli auf den Nadeln gejammert, als mir eine Freundin den Tipp gab hier vorbei zu schauen. Ich werde es gleich einmal ausprobieren.
    Danke und einen lieben Gruß
    Andrea

  13. Von Désirée am 25. Oktober 2021:

    Hallo, gibt es dazu auch ein Video? Ich bin wohl einfach zu blöd für die geschriebene Anleitung…ausserdem habe ich einen Raglan von oben, daher sieht das noch anders aus…

    Danke!
    Désirée

    • Von Antje am 26. Oktober 2021:

      Hallo Désirée, nee auf den Bilder hab ich auch einen Raglan von oben 🙂 Dreh deinen Pulli mal so, dass du vom Halsaussschnitt her auf Ärmel und Body schaust, dann müsstest du das wiedererkennen 🙂 . Ein Video gibt’s dazu noch nicht, wir merken uns das aber mal falls da noch mehr Fragen kommen. Liebe Grüße!
      Antje

  14. Von Dorothee Trautmann am 25. August 2022:

    Fantastisch ge- und beschrieben! Gibt’s auch einen Trick beim Socken stricken, z.b. die Übergänge an den Nadeln bei der Bumerangferse ? Kann ja sein, dass du eine super Idee hast.

Neuen Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.